Wie lässt sich der digitale Arbeitsalltag gestalten? Wie nutzt man digitale Tools? NEW-D sprach mit Europachef Beat Bühlmann von Evernote.
Herr Dr. Bühlmann, viele Unternehmen und Agenturen arbeiten mittlerweile mit digitalen Tools. Mal zur Kollaboration, mal für das Management von Dateien, das gemeinsame Arbeiten an Präsentationen oder zur Kommunikation.
Ich stelle dabei oft ein Gefälle fest zwischen Unternehmen, die wegen ihrer zähen IT nichts anbieten können oder wollen und Unternehmen, wo die Tools so vielfältig sind, dass manche Mitarbeiter ratlos sind, welches sie für welchen Zweck am besten einsetzen. Und dann gibt es ja auch noch Tools, die man privat nutzt und die ggf. auch Schnittstellen zum Arbeitgeber haben. Was ist wichtig, wenn Websoftware im Unternehmen effektiv genutzt werden soll?
Oft wird hier ein wichtiger Punkt vergessen: Menschen sind Individuen, und somit ist Produktivität auch größtenteils etwas Persönliches. Und ja, je nach Typ, Aufgabengebiet und persönlichen Befindlichkeiten arbeiten viele Leute so, wie es ihnen am besten passt, meist auch ohne Zustimmung des CIO. Hier besteht natürlich für Unternehmen die Gefahr, dass sie die Daten und den Weg der Daten nicht voll unter Kontrolle haben – insbesondere wenn ein Mitarbeiter die Firma verlässt und Firmendaten in persönlichen Tools gespeichert hat.
Gleichzeitig sollte man die aktuellen Megatrends BYOA und BYOD – Bring your own App und Bring your own Device – nicht missachten oder gar versuchen, diese zu unterdrücken. Wieso sollte man Mitarbeiter z.B. zwingen, am PC zu arbeiten, wenn sie sich mit dem Mac besser und schneller zurechtfinden oder umgekehrt? Innovation kommt nicht durch Verbote zu Stande. Zudem sind Geräte und Apps auch Teil unseres Arbeitsplatzes. Dort müssen wir uns wohl fühlen, um gut und produktiv arbeiten zu können. Die Zeiten sind vorbei, als eine Person in der Firma entscheidet, wie hunderte oder tausende von Leuten zu arbeiten haben.
Für eine Firma sind dann klare Richtlinien und Vorgaben wichtig, z.B. wie mit dem Speichern und Versenden von Daten umzugehen ist. Hier sollte aber Aufklärung den Ton angeben und nicht die Predigt von Verboten. Flexibilität und Experimentierfreude sind für den modernen CIO und IT-Leiter sehr wichtig. Ihre Aufgabe ist es, für die nötige Reibungslosigkeit und Sicherheit in der Arbeit und im Zusammenspiel der Geräte und Anwendungen zu sorgen. Nur so können sich die anderen Teams auch voll auf ihre eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren.
Evernote ist als Tool zum Verwalten von To-Dos und Notizen entstanden. Wie hat sich die Software weiterentwickelt und was ist für die Zukunft geplant?
Wir sind vom Note-Taker zum Produktivitäts-Tool geworden. Evernote funktioniert plattform- und dateitypunabhängig und stellt zahlreiche Hilfsmittel bereit, wie z.B. den WebClipper, die Handschrifterkennung in Notizen und Fotos oder die Dokumentensuche mit Kontext-Feature, die den User mit Daten und Leuten sowohl intern als auch extern verknüpft, die z.B. an ähnlichen Themen arbeiten.
Diese Funktionen entstehen immer mit dem Gedanken, die Produktivität von Teams zu steigern und Probleme unserer täglichen Arbeitswelt elegant zu lösen, wie zum Beispiel der Versionskonflikt von Dateien oder die “Duplication of Work”. Dabei setzen wir auf Erkenntnisse der Hirnforschung, um Schwächen des menschlichen Gehirns zu kompensieren und alles aus den Stärken unseres Gehirns herauszuholen.
Was uns also in Zukunft antreibt, neben unserem Leitsatz “Work at the speed of thought”, ist das Ziel, zum digitalen Nervenzentrum einer Firma, eines Teams oder auch nur einer Person zu werden. Für mich ist Evernote heute schon mein “personal, private Internet” in der Hosentasche. Zudem bieten wir viele APIs an, damit unsere Kunden mit ihren Lieblings-Apps und -Tools weiterhin interagieren können, und viele weitere werden folgen.
Ein weiteres wichtiges Ziel für die unmittelbare Zukunft ist die stetige Weiterentwicklung unserer Artificial Intelligence (AI) und des Machine Learnings (ML). Dies sind nicht nur die Megatrends der Stunde, sondern auch prägende technologische Fortschritte, welche die Zukunft der Arbeit massiv verändern werden. Ein Gedankenspiel dazu: Stellen Sie sich mal vor, wie praktisch es wäre, wenn AI mit den Meeting-Notizen am Ende eines Meetings automatisch eine To-Do-Liste inkl. wer-macht-was-bis-wann erstellt, und alle Deadlines dann auch gleich in die Kalender der Leute einträgt inkl. Reminder? Stay tuned, sag ich da mal.
Wie digital muss ein Arbeitsplatz heute sein?
Es ist eigentlich egal ob on- oder offline, “NOLINE” sozusagen, weil die Grenzen verschwinden, wenn jeder das Internet in der Hosen- oder Handtasche hat. Es geht vor allem um die Zweckmäßigkeit. Was ist die Aufgabe eines Mitarbeiters? Wie kann er oder sie diese am effektivsten und produktivsten bewältigen? Allein oder mit anderen? Welche Tools helfen dabei am besten?
Man muss nicht alles “neu erfinden” und zwangsläufig in die digitale Welt übertragen. Wichtig ist, dass man jeweils die beste Art und Weise wählt – z.B. analoge Whiteboards und Flipcharts für kreative Sessions, diese dann aber digital speichern und zugänglich machen, wie eben z.B. mit Evernote, wo auch handschriftliche Notizen über Textsuche erkannt werden.
Die 2. Hälfte des Interviews finden sie in der Sommerausgabe von NEW-D. Folgen Sie NEW-D auf Twitter oder Facebook oder abonnieren sie den Newsletter.
Fotos: Evernote