Seit 2013 ist meine Schwester mit ihrem Mann auf Weltreise unterwegs und erkundet Kontinente. Wie helfen digitale Tools dabei? Schon vor der Abreise wurde „Radio Pelicano“ aufgesetzt, ein Reiseblog , welches Freunde, Familie und Mitreisende mit den beiden verbindet. Auch auf Facebook ist die „SY Inti“ unterwegs. Für NEW-D sprach ich mit den beiden Seglern über High- und Lowtech auf See und an Land.

Seit längerem kursiert ein Bild im Netz, welches die Maslowsche Bedürfnispyramde zeigt, ergänzt um die Stufe WLAN bei den Grundbedürfnissen. Wie wichtig ist für Euch funktionsfähiges Internet auf Eurer Reise?

Das Internet ist schon sehr wichtig für uns. Google und Co helfen beim Lösen technischer Probleme. Soziale Medien, Blogs und spezielle Websites bieten viel Wissen und Erfahrungen anderer Segler über Länder, die wir anlaufen, und die Möglichkeit, sich direkt auszutauschen. Wetterdienste helfen uns bei der Reiseplanung und nicht zuletzt der Austausch mit unseren Freunden und Familien findet fast ausschließlich über das Internet statt.

Dennoch ist es eines unserer Reiseziele, dem Medienüberfluss in Europa und der damit einhergehenden Zerstreuung zu entfliehen und sich wieder etwas mehr der Natur und sich selbst zuzuwenden. Wir sind der Meinung, dass das Internet ein unglaublich hilfreiches und praktisches Tool ist, wir haben aber neben allen Vorteilen in den letzten Jahren zu viel Lebenszeit mit ungezieltem Herumsurfen verschwendet.

Wer kennt das nicht? Ein Besuch bei Facebook oder eBay und -schwupps- sind ein paar Stunden rum. Und wonach hatte ich eigentlich gesucht? Das Internet hat ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotenzial, von dem wir ganz klar abhängig sind. So genießen wir ganz bewusst auch die Momente, in denen wir mal fernab vom nächsten Funkmast sind. Probiert es mal aus und ihr werdet euch wundern, wie viel Zeit man auf einmal hat.

SY Inti San Blas

Wie funktioniert der Zugang praktisch, wie geht ihr online und mit welchen Geräten?

Der Zugang beschränkt sich auf unsere Zeit an Land oder in Landnähe. Auf See ist Internet nur sehr beschränkt über Kurzwelle oder Satellitentelefon möglich. Die Verbindungsqualität erreicht im besten Fall die 128k, also wie damals zu ISDN Zeiten, und die Kosten sind sehr hoch.

Wir verbinden uns mit einem speziellem Modem (Pactor), das E-Mail über Kurzwelle sendet und empfängt, darüber lassen sich Wetterinformationen aus dem Internet empfangen oder Positionen und Blogberichte senden.

In Landnähe variiert der Zugang von Land zu Land, teilweise sogar von Bucht zu Bucht, von Hafen zu Hafen. Sobald wir einen neuen Ort erreichen, heißt es erst einmal die technischen Möglichkeiten checken. Gibt es WLAN-Netze, lassen diese sich teilweise über einen WLAN-Verstärker und einer am Mast hochgezogenen Antenne an Bord empfangen. Manchmal tummeln sich die internethungrigen Segler in einer Bar mit WLAN oder auch nur auf einer Bank oder Treppe vor einem Hotspot.

Alternativ ist Internet vielerorts über mobile Netze verfügbar. Kurioserweise besonders in Ländern, die wir sonst eher technisch als rückständig bezeichnen würden. Diese haben den Aufbau klassischer Telefonleitungen meist übersprungen und direkt in die mobilen Netze investiert. So lagen wir beispielweise auf den Kapverden vor einer abgelegenen Insel, auf der nur zweimal die Woche das Versorgungsschiff vorbeikam und streamten ruckelfrei und mit Blick auf den Strand deutsches Fernsehen.

In den San Blas Inseln vor Panama lagen wir zwischen kleinen unbewohnten Palmeninselchen und chatteten mit unserer Familie daheim. Erreichen wir eine neue Region, heißt es erst einmal Prepaidanbieter vergleichen, dabei ist nicht nur der Preis, sondern auch die Abdeckung zu beachten. Das Smartphone dient dabei als Empfangsgerät oder als Hotspot um via Tethering Computer und Tablets nutzen zu können.

Die Internetkosten sind im Vergleich zu Deutschland relativ hoch, da Prepaidkarten nur ein beschränktes Volumen haben und Bar oder Cafébesitzer für die Nutzung ihres Netzes natürlich auch eine Gegenleistung sehen wollen.

Wenn ihr andere Segler kennengelernt habt, wie bleibt ihr danach in Kontakt? Gibt es geschlossene Gruppen auf Facebook oder hält man per E-Mail den Kontakt aufrecht?

Facebook ist sehr verbreitet und hat E-Mail größtenteils abgelöst. Es gibt spezielle Gruppen, in denen sich die Segler tummeln. So werden Informationen über bestimmte Regionen, Bezugsquellen von Ersatzteilen und Proviant, fähige Handwerker, Marinas, Sicherheit oder einfach nur Kochrezepte ausgetauscht. Einige Segler lehnen allerdings Facebook ab und kommunizieren ausschließlich über Funknetze und E-Mail. Funknetze über UKW oder Kurzwelle sind immer noch sehr verbreitet, da sie auch an abgelegenen Orten oder auf hoher See funktionieren. So tauschten wir uns beispielweise bei unserer Atlantiküberquerung allabendlich mit einem befreundeten Boot über Amateurfunk aus, weitab von jeglichem Internetzugang.

SY Inti Kurzwelle

Spielen auch Messenger wie WhatsApp auf Eurer Weltreise eine Rolle?

Sowohl WhatsApp als auch Skype sind sehr verbreitet. Nicht nur für die Kommunikation untereinander, sondern auch um mit Freunden und Familie daheim zu sprechen. Im Vergleich zum Telefon sind die Kosten einfach deutlich günstiger und es macht Spaß, seine Liebsten mal wieder im Videochat zu sehen. Aber nicht nur in der Kommunikation untereinander, sondern auch nach außen spielen sie eine wichtige Rolle. In Panama beispielsweise läuft ein Grossteil der Kommunikation über WhatsApp, oftmals wird ein „normaler“ Telefonanruf gar nicht mehr beantwortet. Über WhatsApp werden Taxis bestellt, Ersatzteile und Proviantlieferungen organisiert, Arzttermine und Ergebnisse getauscht. An einem Außenposten der Immigration wurden sogar Kopien der Pässe und Einreiseformulare darüber versandt. Schnell ein Foto davon gemacht und ab geht die Post. Wer da wohl so alles mitliest.

Gibt es digitale Trends in der Seglercommunity bei der Nutzung von Apps für Wetter oder Websites, die sich unterscheiden von der Nutzung im Alltag in Städten?

Absolut! Wie bei jeder Sportart oder jedem Hobby gibt es natürlich auch spezielle Apps für Segler. Es gibt Apps für Routentracking, Navigation mit Seekarten, spezielle Wetterapps, Apps für Gezeiten und Strömungen, Knotenkunde, Segelstellungen und.. und… und. Auf vielen Booten ersetzen sie mittlerweile die verhältnismäßig teuren und unflexiblen Kartenplotter (Navi auf Booten).

Wir zum Beispiel navigieren größtenteils mit einem iPad. Eine spezielle Outdoorhülle schützt es vor Stößen und Feuchtigkeit, eine App, in die sich die gängigen Seekarten laden lassen, macht es zu einem vollfunktionsfähigen Kartenplotter. Über ein Interface, das alle weiteren Daten von Bordinstrumenten über ein eigenes WLAN versendet, lassen sich diese komfortabel in der App anzeigen.

Wir nutzen aber auch nicht speziell für Segler programmierte Apps. Sehr schön sind zum Beispiel Apps wie Nightsky ,mit denen man einfach das Smartphone in den Himmel hält und so die Sternbilder erkennen kann, oder auch der Thundercalculator, über den sich herausfinden lässt, wie weit ein Gewitter entfernt ist.

Ist die digitale Chronik als Blog Freude oder manchmal auch lästige Pflicht?

Natürlich ist das Bloggen ein Haufen Arbeit und wir müssen uns schon manchmal aufraffen, den nächsten Artikel zu schreiben und zu posten. Im Großen und Ganzen macht es uns aber viel Spaß. Zum einen ist der Blog unser persönliches Tagebuch, hin und wieder lesen wir unsere alten Berichte und freuen uns über vergessene Erlebnisse. Zum anderen macht es uns unglaublich viel Spaß, unsere Abenteuer zu teilen. Immer wieder bekommen wir Feedback aus der ganzen Welt, Tipps für unsere weitere Reise und hier und da sogar mal eine Spende.

Radio Pelicano

Welche Geschichte ist auf Eurer Weltreise am meisten hängen geblieben, die über Online-Kanäle ihren Anfang genommen hat? 

Schon bevor wir unsere Reise gestartet haben, verfolgten wir den Blog eines Pärchens, das ein paar Monate vor uns gestartet war, und auch einen Bericht über die gefürchtete Biskaya geschrieben hatte. Wir traten mit den Beiden in Kontakt und besuchten sie mit unserem Boot in einer Marina in Portugal, in der sie immer noch mit ihrem Boot liegen. Auf ihrem Boot warteten auch schon ein paar Ersatzteile, die wir zu ihnen schicken durften. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und gemeinsam eine schöne Woche verbracht, bevor wir weiter nach Marokko gesegelt sind.

Das war das erste solcher über das Internet und Blogs zustande gekommenen Treffen und von daher besonders schön, aber solche Dinge haben sich im weiteren Reiseverlauf noch öfter ergeben. Die jüngere Seglercommunity ist nicht besonders groß, dafür aber im Internet um so aktiver. So kennt man sich oft schon vom Hörensagen, bevor man sich irgendwo auf der Welt mal wirklich trifft, seien es Norweger, Italiener oder Franzosen.

Aktuell haben wir über ein Jahr in Panama verbracht und viel an unserem Boot repariert und verbessert, um es für die bevorstehende Pazifiküberquerung vorzubereiten. Viel Unterstützung bekamen wir dabei von einer deutsch-österreichischen Familie, die ein Hostel und eine Reparaturwerkstatt für Boote an der Karibikküste Panamas betreibt. Auch hier fand der erste Kontakt über das Internet statt.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin eine gute und sichere Reise!

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