Die Sommerferien gehen zu Ende. Kommt der Wahlkampf endlich in Fahrt? Was machen die Parteien eigentlich digital?

NEW-D hat nachgefragt. Ende Februar diesen Jahres startete das bisher aufwändigste Interview-Projekt. Bis Mitte Juli zogen sich die Abstimmungen, daher sind einige Antworten ggf. nicht mehr völlig aktuell.

Die CDU sagte aus Zeitgründen ab, die AfD reagierte gar nicht. Die FDP sagte zu, lieferte aber keine Antworten. Das vollständige Interview finden Sie in der Sommerausgabe von NEW-D. Die ersten Antworten der SPD, den Grünen und der Linken finden Sie hier.

Wie nutzen Sie Targeting für sich? In der Trump-Kampagne gab es angeblich mehrere tausend verschiedene Postings, welche exakt auf verschiedene Präferenzen der Wähler/innen zugeschnitten waren. Warum zieren sich die meisten Parteien beim Thema Targeting so?

SPD, Tobias Nehren:

„Ob und wie die Trump-Kampagne tatsächlich personenbezogen und individualisiert gearbeitet hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Dazu finden sich unterschiedliche Hinweise und Thesen. Sicher ist, dass man nur über Targeting keine Kampagne gewinnt oder verliert, sondern es kommt auf gute Botschaften, klare Haltung und ein online wie offline funktionierendes Mobilisierungskonzept an. Parteien in Deutschland haben zum Glück den deutschen Datenschutz zu achten und das Recht der Bürgerinnen und Bürger zu respektieren, Herr oder Herrin der eigenen Daten zu bleiben. Auch steigt mit dem Maß, mit dem man auf Gruppen zugeschnittene Botschaften und Anzeigen ausspielt, die Menge des zu produzierenden Contents und damit auch der Aufwand. Da in deutschen Wahlkämpfen keine Milliarden investiert werden, sind die Ressourcen für die bei Trump unterstellte Form der Aussteuerung schlicht gar nicht vorhanden.“

Die Linke, Thomas Lohmeier:

„Es geht hier nicht darum, ob wir uns zieren oder ob wir uns nicht zieren. Es geht hier schlicht um den Datenschutz. Den nehmen wir ernst. Und dabei geht es auch um eine politische Selbstverpflichtung der politischen Parteien. Allerdings nutzen wir datenschutzkonforme Möglichkeiten zielgruppenspezifischer Werbung – auch in den sozialen Medien.“

Die Grünen, Robert Heinrich:

„Dass Parteien ihre Wählerinnen und Wähler zielgruppengerecht ansprechen, gehört zu einem professionellen Wahlkampf dazu.  Wir tun das zum Beispiel über Google AdWords oder Sponsored Posts bei Facebook. Dabei sind wir als Absender immer klar erkennbar. Auswüchse wie im vergangenen US-Wahlkampf beim Profiling und Targeting sind aber nicht nur durch die deutsche Datenschutzgesetzgebung untersagt, sondern wir lehnen sie als Wahlkampfinstrumente auch aus Überzeugung ab.“

Welche Rolle werden digitale Technologien beim „Häuserwahlkampf“ spielen? Verschiedene Medien berichten darüber, dass wieder mehr geklingelt werden soll. Setzen Sie dafür Apps ein, dokumentieren Sie die Gespräche auf iPads?

SPD, Tobias Nehren:

„Menschen benutzen eine Computermaus heute vollkommen selbstverständlich. Sie ist wie eine Verlängerung der Hand in die digitale Welt; eine Schnittstelle. Unsere App ist eine Schnittstelle zwischen Online und Offline Wahlkampf. Die Wahlkämpferinnen können unsere App mobil nutzen, wenn sie Tür zu Tür Wahlkampf machen wollen. Sie können sich einfach in unserem Kampa17 Portal anmelden und die Webapp öffnen. Sie funktioniert, einmal geladen, auch offline. Ganz egal welches Endgerät sie nutzen; Apple, Android, Tablet, Desktop oder Smartphone. Die Webapp ist eine maximal einfach zu bedienende Schnittstelle für jeden Wahlkämpfer und jede Wahlkämpferin. Das ist der erste Wahlkampf, in dem wir eine App dieser Art im Einsatz haben. Ich bin mir sicher, wir werden sie bald bei vielen Parteien so selbstverständlich finden, wie das Bedienen einer Computermaus.“

Die Linke, Thomas Lohmeier:

„Haustürwahlkampf wird eine herausgehobene Form der Wahlkampfaktivität sein. Wir haben schon im vergangen Jahr an mehrere tausend Haustüren geklopft und die Menschen gefragt, wo der Schuh drückt und was ihnen wichtig ist. Diese Erfahrungen sind auch in das Wahlprogramm eingeflossen. Wir machen das, weil uns der persönliche Kontakt zu den Menschen wichtig ist. Apps können dabei eine Hilfe sein. Deshalb sind wir gerade dabei, für die heiße Phase im Wahlkampf eine App zu entwickeln.“

Die Grünen, Robert Heinrich:

„Ja, wir werden eine App einsetzen, mit deren Hilfe wir unsere Haustürwahlkampfaktivitäten dokumentieren – natürlich streng anonymisiert – und später auswerten: Wie viele Türen haben sich geöffnet? Wie positiv war die Resonanz? Über welche Themen wollten die Wähler sprechen?“

Oft sind die Profile der Spitzenpolitiker beliebter als die der Partei an sich. Haben Sie Zugriff auf diese persönlichen Seiten und wenn ja, wie werden Sie diese in den Wahlkampf einbeziehen?

SPD, Tobias Nehren:

„Menschen identifizieren sich eher mit Menschen als mit Logos oder Parteien. Fußballfans jubeln Ronaldo oder Özil zu und selten Nike. Die Identifizierung funktioniert über Personen, über Spitzenkandidaten offenbar besser. Wir beraten und unterstützen unser Spitzenpersonal bei der Betreuung ihrer Kanäle. Wir erstellen Content, liefern Hinweise auf Trends und Themen und geben Feedback, was wie gut funktioniert und warum. Martin Schulz ist unser Parteivorsitzender und Spitzenkandidat. Wir arbeiten daran, dass die Menschen erkennen, dass er ein Bild für dieses Land hat. Dass er wie kein Kandidat sonst für ein gerechteres Zusammenleben in einem starken Europa steht.“

Die Linke, Thomas Lohmeier:

„Es ist doch verständlich, dass die persönlichen Profile beliebter sein. In den sozialen Netzwerken wollen die Menschen primär mit Menschen befreundet sein und in Dialog treten und nicht mit Organisationen. Aber selbstverständlich werden die persönlichen Profile und Accounts unserer prominenten Politiker und Politikerinnen in den Wahlkampf mit einbezogen.“

Die Grünen, Robert Heinrich:

„Selbstverständlich sind die persönlichen Accounts unseres Spitzenduos Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir ebenso Teil der grünen Social-Media-Strategie wie die Seite der Partei. Wir kommunizieren abgestimmt, wenn auch mit unterschiedlichen Rollen und Tonalitäten. Die Personenseiten legen naheliegenderweise mehr Wert auf Persönliches und auch auf die eigenen Leib- und Magenthemen. Aber grüne Botschaften verbreiten alle.“

Die 2. Hälfte des Interviews finden sie in der Sommerausgabe von NEW-D. Folgen Sie NEW-D auf Twitter oder Facebook oder abonnieren sie den Newsletter.

Titel: Foto von Arnaud Jaegers auf Unsplash

Fotos der Parteipressesprecher:

Tobias Nehren, SPD

Thomas Imo

Thomas Lohmeier, Die Linke

Martin Heinlein

Robert Heinrich, Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen