Audio Stunts & Mahumba

Wer heute Musik macht, auflegt oder künstlerisch aktiv ist, kommt ohne digitale Vermarktung kaum noch voran. Wie das smart und authentisch gelingen kann, verraten ungewohnt seriös und mit Tiefgang das DJ-Team Audio Stunts & Mahumba hier auf NEW-D im Longread.

Warum seid ihr digital so aktiv und was zeichnet für Euch die Beziehung von Künstlern zu den Fans 2016 aus?

Für uns ist das Pflegen digitaler Kanäle keine Pflicht, die abgehakt werden muss – das macht uns Spaß und solange das Feedback positiv ist, sieht man ja auch den Nutzen darin und hat den Ansporn weiter zu machen. Die Beziehung zwischen Künstlern und Fans ist heute unglaublich wichtig, wir versuchen das immer alles auf Augenhöhe, möglichst relevant, ehrlich und freundlich zu halten. Unsere Fanbase auf Facebook, Soundcloud oder Instagram ist nicht überdurchschnittlich groß – dafür aber komplett organisch gewachsen ohne Anzeigen zu schalten oder irgendwelche Services für Fake-Interaktionen zu benutzen. Das merkt man an der Resonanz. Unsere Beiträge werden ausschließlich von Leuten kommentiert oder geliked, die uns auch wirklich mögen. Dazu ist uns der eigentlich so fiese Facebook Edgerank sehr wohl gesonnen und unsere Updates erreichen fast immer mindestens so viele Personen wie wir offiziell an Fans haben. Manchmal sogar mehr.

Wenn man am Bahnhofskiosk plötzlich sein Bier für lau bekommt, weil ein „Fan“, der dort arbeitet uns erkennt und einem total euphorisch erzählt, dass dort immer unsere DJ Sets laufen, bekommt man nicht nur eine Gänsehaut sondern hat auch genau die passende Metapher, für den Stil und das Ziel unserer Kommunikation. Eine Ghettofaust zum Abschied, ein Strahlen im Gesicht und nen halben Liter Bier in der Hand. Herz, was willst du mehr? Das Autoscooter Movement erreicht aus den Clubs also langsam die Straßen, so soll es sein.

Anfangs habt ihr eure echten Gesichter nicht gezeigt, sondern immer einen schwarzen Balken im Gesicht gehabt, warum habt ihr den nun abgelegt?

Wir können jetzt, Anfang 2016, zum Glück relativ frei darüber sprechen. Unser Manager und ehemaliger Booker “Kante”, den wir von unserem Job beim Autoscooter kennen, hatte einige fragwürdige Ermittlungen gegen sich laufen. Nach und nach sind auch wir immer mehr in den Fokus der ermittelnden Behörden geraten. Wir haben uns in Absprache mit unserem PR-Berater dazu entschlossen, im Internet nicht unsere Gesichter zu zeigen, um unser Projekt nicht zu gefährden. Außerdem hatten wir Angst vor der automatischen Gesichtserkennung von Facebook. Vor ein paar Monaten wurde die ganze Geschichte glücklicherweise aufgrund von Verfahrensfehlern zu Kantes Gunsten eingestellt. Somit sind auch wir aus dem Schneider und können jetzt ganz beruhigt zeigen, was wir zu bieten haben.

Kleinere Künstler verdienen wenig mit Spotify, dafür ist es interessanter zur Bekanntheitssteigerung. Wie seht ihr das Geschäft mit Streaming im Vergleich zur CD, Vinyl, MP3 oder Live Gigs?

Als Künstler in unserem Genre muss man schon richtig viel Glück haben und verdammt gut sein, um Geld mit Streaming-Diensten zu verdienen. Mit Streaming über Amazon, Deezer und Spotify verdienen wir quasi nichts. Unsere Titel werden dort zwar auch gehört, allerdings sind die Einnahmen dort so verschwindend gering, dass es kaum Sinn macht, diese mit dem Label abzurechnen. Wenn wir den Flaschenpfand aus unserem Studio mal zum Kiosk bringen würden, hätten wir da sicher mehr von. Mit Streaming verdienen nur die großen Labels und Künstler wirklich Geld, die mehrere zehntausend Plays am Tag haben. Das Vinylgeschäft läuft ja zum Glück auch immer noch bzw. wieder ganz gut. Unsere Releases, die auf Schallplatte erscheinen, sind allerdings auch eher ein Nice-To-Have, die Pressungen und der Vertrieb werden gerade so durch die Verkäufe gedeckt. Die Distribution von digitaler Musik ist mittlerweile so komplex, dass man damit auch erst nach einer gewissen Zahl von Verkäufen die Kosten für Mastering, Distribution und Anteil des Labels deckt und man dann langsam anfängt Geld zu verdienen. Letztendlich sind wir aber mehr als froh, dass es diese ganzen Wege und Möglichkeiten gibt. So ist überall unsere Musik zu hören und zu bekommen und so finden möglichst viele Menschen Zugang zu unserer Musik und zu uns. Letztes Jahr schrieb uns eine Freundin, dass sie in einem Plattenladen in Italien eine Platte von uns gefunden hat. Das ging natürlich runter wie Öl.

Gab es bei Euch den einen Moment in eurer Karriere als DJ-Team an dem ihr gemerkt habt, „das wird alles verändern“? Das eine Set, der eine Auftritt, den einen Kontakt, den ihr geschlossen habt?

Eigentlich gibt es diese Momente immer mal wieder zwischendurch. Man lernt unglaublich viele interessante und nette Menschen kennen und manchmal entstehen daraus Dinge, die man zwei Wochen vorher noch für unmöglich gehalten hat. Und jedes Mal freuen wir uns wie kleine Jungs über die nächste geile Chance, die wir bekommen. Zum Beispiel das Aufeinandertreffen mit René Bourgeois, der auf einer Party, auf der wir auch gespielt haben, einen von uns produzierten Track hörte und so begeistert war, dass er sich zwei Tage später meldete, davon einen Remix machen wollte und sich um ein Label fürs Release kümmerte. So kam unser erster Track dann gleich mit einem Remix von einem namhaften Künstler auf einem bekannten Label. Der zweite Track folgte dann dank Empfehlungen der lieben Bebetta direkt auf Vinyl und Digital mit einem Remix von ihr und zwei weiteren von Rich vom Dorf und Homebase auf dem Hamburger Label Ton Liebt Klang. Das war dann letztendlich das solide Fundament, auf dem wir langsam, Stein für Stein, weiter aufbauen und versuchen immer besser zu werden. Was unsere Gigs betrifft können wir uns da nicht wirklich festlegen, irgendwie hat fast jeder Gig etwas Besonderes. Hervorheben kann man aber die Auftritte in den letzten zwei Jahren auf der Breminale in Bremen. Bei diesem Festival in unserer Heimatstadt Bremen spielten wir jeweils am Eröffnungstag auf der schönsten Bühne, den “Dreimeterbrettern”. Das waren vom Publikum und der Atmosphäre her unsere emotionalsten und schönsten Gigs und gerade solche Dinger geben einem wieder so viel Energie und Inspiration, dass man am liebsten gleich danach im Studio oder auf der nächsten Bühne experimentieren möchte.

Studio-Audio Stunts & Mahumba

Früher auf dem Schulhof sortierten sich die Gruppen oft über die Zugehörigkeit zu einer Musikszene, die HipHopper, Indie, Techno, Heavy. Hat Musik immer noch diese Bindekraft oder verwischt alles, weil alles verfügbar ist, alles konsumiert wird?

Ganz schwere Frage. Musik ist durch die unglaublich einfache Verfügbarkeit und vor allem die Masse an Künstlern, Labels und Tracks viel inflationärer geworden. Früher hörte man Platten und CDs noch im Laden, bevor man sich etwas gekauft hat, dann hat man die Dinger zuhause hoch und runter gehört, hatte eine viel stärkere Bindung zu seiner Musik und dadurch mehr Identifikation mit der Szene, in der man sich bewegte. Heute ist man mit einem Klick sofort beim nächsten Track im nächsten Genre oder auf dem nächsten Soundcloud Profil. Genauso ist es auch mit den “Szenen”. Die Szenen sind gefühlt wesentlich offener und toleranter als vor 15 Jahren. Da geht man auch als Drum&Bass-Fan auf eine Techno Party, wir sind zwischendurch auch auf Hip Hop Konzerten oder auf Soul Partys. Hauptsache es schmeckt. Heute hat der typische Raver ja auch nicht mehr eine halbe Tube Gel in den Haaren und schiebt sich mit weißen Handschuhen auch keine 5 Knicklichter mehr in den Mund. Wir bewegen uns relativ viel in Kreisen von musik- bzw. kulturschaffenden Menschen. Da ist diese Offenheit eigentlich an der Tagesordnung und man kann sich für das Schaffen der anderen begeistern, obwohl man vorher wenig Zugang zu einem bestimmten Genre hatte. Egal ob jetzt jemand Musik für ein Theaterstück komponiert hat oder mit den Füßen Gitarre spielt. In der mündigen Pop- und EDM-Kultur, die sicher heute die Mehrheit ausmacht, spielt Identifikation mit Musik kaum bis gar keine Rolle. Da wird gehört, was auf den Tisch kommt und konsumiert was YouTube Autoplay gerade vorschlägt.

Ist die Digitalisierung Fluch oder Segen für die Künstler?

Ein Segen ist, dass die Schwelle, etwas zu veröffentlichen oder den Menschen seine Musik näher zu bringen, wesentlich geringer ist als früher zu Zeiten, als es Musik nur auf physischen Tonträgern gab. Gleichzeitig ist es einfacher, sich zu präsentieren, sich zu vermarkten und sich mit anderen Musikern, Labels oder Veranstaltern zu vernetzen. Das bringt aber auch einige Flüche mit sich: Der Musikmarkt ist unglaublich undurchsichtig und überschwemmt von Musik oder Künstlern bei denen es mehr als schwer ist, gute DJs oder Produzenten zu finden. Wie eben schon angesprochen, wird alles viel inflationärer und die Schwelle einfach zum nächsten Künstler zu klicken, ist extrem gering. Dabei beständig zu bleiben, ist sicherlich schwerer als je zuvor. Vor 3-4 Jahren haben wir noch davon geträumt, Promo Releases von anderen Labels oder Künstlern zu bekommen. Heute ist es fast schon anstrengend, sich durch die ganzen Mails und Promo Pools zu klicken, weil man viel zu viel Input bekommt. Eigentlich ist das total falsch, so mit dem Schaffen anderer umzugehen, aber bei der Flut von Material ist das heute sicher so eine Art von Schutzreaktion unserer Nerven. Positiv ist definitiv noch zu erwähnen dass durch digitale Musik unser Plattenkoffer nur noch aus USB-Sticks und evtl. ein paar CDs besteht, so spart man sich das elende Geschleppe.

In der Woche geht ihr beide Vollzeit arbeiten, am Wochenende legt ihr auf. Wie schafft ihr das?

Das ist in der Tat gar nicht so einfach. Das schafft man nur mit viel, viel Disziplin, wenig Schlaf und im Zweifelsfall mit Club Mate, Traubenzucker und Pommes. Dazu die Stunden die wir im Studio mit Produzieren verbringen, Bookings selber akquirieren und abwickeln, sich um die sozialen Netzwerke kümmern, neue Musik recherchieren und kaufen und sich auf Auftritte vorzubereiten. Wichtig ist, dass man alles, was man macht mit Herzblut und aus Überzeugung macht. Dann kommt einem das nicht so anstrengend vor wie es eigentlich ist. Wenn man versucht, das alles möglichst professionell durchzuziehen, läuft das auch mit weniger Unklarheiten oder unschönen Überraschungen. Das ist zwar auch gefährlich, weil man manchmal nicht merkt, dass der Körper eigentlich nach Erholung schreit – damit lernt man aber irgendwann umzugehen. Manchmal sind wir halt einfach auch totale Partybremsen. Wenn wir weit außerhalb von Bremen spielen, sind wir im Regelfall bis ca. eine Stunde vor unserer Playtime im Hotel, liegen im Bett und kuscheln uns gegenseitig an. Je nachdem wie cool die Party und die Stimmung ist, sind wir Idealfall auch eine Stunde nach unserem Set wieder im Hotel. Dank Late-Checkout kann man dann meist noch 5 Stunden schlafen und dann geht’s ab nach Hause. Je nach Playtime kann das aber auch bedeuten, dass man morgens um 08:30 Uhr erst wieder im Hotel ist und 24 Stunden später ist man wieder auf der Arbeit und muss da genauso konzentriert abliefern wie im Club. Grundsätzlich kehrt da mit der Zeit aber eine gewisse Routine ein und jeder von uns hat seine Tricks und Rituale, um den Restsonntag für die Regeneration zu nutzen. Montags gucken wir uns auf Facebook und Instagram dann neidisch die Fotos der Top DJs an, die mittags alle im Bett liegen, Pizza essen und Playstation spielen.

Großraumdisco oder Fusion – schon mal Engagements abgelehnt, die nicht zum anvisierten Image passen – trotz guter Bezahlung?

Wir stehen ja nach wie vor dazu, dass wir uns unsere ersten Sporen mit Kirmesbeschallung verdient haben. Daher sind wir auch weiterhin auf Eröffnungen von Kosmetikstudios, auf Schützenfesten oder in Großraumdiscos auf der Bühne anzutreffen. Wir haben am Anfang unserer gemeinsamen Laufbahn fast jeden Gig gespielt, der uns angeboten wurde. Mittlerweile haben wir aber tatsächlich auch schon ein paar Anfragen abgelehnt. Da das Auflegen in erster Linie Spaß machen soll, ist es das Wichtigste, dass man morgens zufrieden nach Hause kommt und sich nicht denkt “das hätte man auch lassen können”. Von daher geht Zufriedenheit auf jeden Fall vor Geld und damit sind wir die letzten Jahre sehr gut gefahren. Wir hatten eine Menge super Gigs, von groß bis klein und die Zufriedenheit hängt am Ende nicht zwangsläufig von der Größe der Veranstaltung oder der Höhe der Gage ab und das ist auch gut so.

Danke für das Interview!

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Foto Credits:
funkjunge.de & weberleifels.de

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